Die Madonna von Murano - Charlotte Thomas

Der venezianischer Geschäftsmann Francesco Caloprini ist ein Frauenheld erster Kajüte, kaum eine Frau kann seiner charismatischen Ausstrahlung widerstehen und so muss er sich sogar der Zudringlichkeit seiner Schwägerin erwehren. Als die einzige Frau, die er wirklich liebt nach einer seiner Reisen verschwunden ist, gibt er sich dem Alkohol hin. Am liebsten verweilt er so wenig wie möglich bei seiner venezianischen Sippe, die von Intrigen zerfressen ist und mehr als nur eine Leiche im Keller hat. So begibt er sich immer wieder auf lange Geschäftsreisen, die ihn für Monate von zu Hause wegführen.
Dabei ist Francesco Caloprini doch der einzige, der ein Licht in das Dunkel der verzwickten Intrigen, Freund- und Feindschaften - ein psychothrillerhaftes Konglomerat aus Liebe, Hass, Schmerz und Eifersucht- bringen könnte…..

Eigentlich handelt dieser Roman von der jungen Sanchia, deren Schicksal so eng mit dem der intriganten Caloprini-Sippe verknüpft ist, liebt sie doch den Spross Francesco Caloprinis’ Bruder. Immer wieder wird ihre Liebe auf die Probe gestellt, denn Sanchia hat sich der Heilkunst verschrieben, um alles in der Welt möchte sie kranken, hilfsbedürftigen Menschen helfen. Und davon gibt es im Venedig der Renaissence genügend. Während große Künstler und Denker wie Leonardo Da Vinci die Stellung des Menschen in der Welt verändern, die Pest und die Syphilis die Gesellschaft erschüttern, während ein verderbter Papst in Rom die Kurie ins Verderben zieht und der machthungrige Karl der achte von Frankreich seine Fühler nach den reichen Städte Italiens ausstreckt, geht die junge und schöne Sanchia entschlossen ihren Weg……….

Sprachlich trumpft Charlotte Thomas erst bei den Liebeszenen (die auch unterwartet detailliert ausfallen….) auf. Eigentlich schade, denn hier wird wieder einmal das Klischee des historischen Liebesromans geschürt. Nichts desto trotz merkt man dem Roman die intensiven Recherchen an, denn sowohl geschichtliche Hintergründe, als auch die Beschreibungen, z.B. des Glasbläsergewerbes, wirken versiert und glaubhaft, was für einen historischen Roman meiner Meinung nach schon vollkommen genügt, wenn man nicht gerade Historiker ist.

Sanchia wird von Anfang an als eine kleine Heilige von der Autorin aufgebaut. Im vergleich zu Rebecca Gable muss ich leider sagen, das letztere Autorin es doch besser versteht, einem Charakter Ecken und Kanten zu geben und keine Heiligen und Übermenschen zu erschaffen. In historischen Romanen sind heilkundige Helden (und -innen) keine Seltenheit, im Gegenteil, eher als Klischee zu bezeichnen. Hier hätte man sich etwas mehr Originalität gewünscht.

Einige Äußerungen und Meinungen der Personen zu Anfang des Romans finde ich, für die Zeit des späten 15. Jahrhunderts nicht unbedingt glaubwürdig. Auch die Reden der sehr jungen (siebenjährigen) Sanchia scheinen mir für ein so kleines Kind doch zu ausgereift. Sind Kinder nicht viel impulsiver und leben ihre Gefühle eher aus, als darüber nachzudenken ? In einer Szene zumindest reflektiert die kleine Sanchia über ihre eigenen Gefühle auf eine Weise, zu der manche Erwachsenen nicht in der Lage ist !

Vieles ist nicht neu in Charlotte Thomas Roman: Helden historischer Romane, die sich der Heilkunst verschrieben haben, eine Jahrzehnte umfassende Handlung vor historischer Kulisse, Intrigen, Liebe, Hass. Nichts desto trotz ist dieser Roman vortrefflich gelungen. Ohne das die Handlung ins groteske episodenhafte abgleitet wird es in dem, über 1000 Seiten umfassenden Schmöker, nie langweilig. Geschickt hat die Autorin das dunkle Geheimnis Sanchias Herkunft und der Caloprini Sippe mit der Handlung verwoben. Legt immer wieder kleine Hinweise und weiß im absolut nervenaufreibenden Finale immer noch zu überraschen und den Leser atemlos die letzten Seiten verschlingen.
Alles in allem ein fantastischer historischer Roman der sich in die Riege der ganz großen Erzählungen dieses Genres einreihen kann und die faszinierende, die schreckliche, die wunderschöne Welt der venezianischen Renaissence zu neuem Leben erweckt.

Meine Wertung: 92 von 100 Punkten

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