Das Floss - Stephen Baxter

“Das Floss” ist Stephen Baxters Debut Roman aus dem Jahre 1991. Wie schon der Umschlag verspricht erwartet den Leser hier ambitionierte Hard - Science - Fiktion, die nur wenige Autoren so umsetzen könnten wie Baxters es tut. Zugleich ist der Roman der erste des Xeelee- Zyklus, dem später noch Das Geflecht der Unendlichkeit, Ring, Flux und der Erzählband Vakuum - Diagramme folgten.

Stephen Baxters Xeelee - Zyklus, handelt vom Kampf der Menschheit gegen die übermächtigen, gleichnamigen, Aliens. Wer jetzt jedoch eine Space Opera mit feurigen Raumschlachten, dutzenden verschiedener Alien-Spezies oder ein von den Menschen besiedeltes und fruchtbar gemachtes Utopia erwartet liegt falsch. In Baxters Science Fiction sind Aliens kein Menschenverschnitt mit ungewöhnlichem Äußeren, sondern meist das Fremde, Wesen mit denen man sich nur schlecht verständigen kann und deren Motive und Intentionen nur schwer nachvollziehbar sind.
Alle Xeelee Romane können für sich selbst stehen und haben nur teilweise einen Zusammenhang. Gerade Das Floss hebt sich aus diesem Zyklus deutlich ab, da der Roman kaum Bezug zu anderen Teilen aufweist. Übringens: spielt auch ein jüngerer Baxter-Roman, nämlich “Sternenkinder”, im Xeelee- Universum, auch wenn er vom Verlag einem anderen Zyklus zugeordnet wird. Für alle die noch auf den Abschluss des Xeelee-Zyklus warten: In Sternenkinder nimmt Baxter den letzten Kampf gegen die Xeelee auf.

Hard - Science - Fiction ist das Genre, und wie in diesem Bereich üblich, steht am Anfang die fruchtbare und, für den Roman, entscheidende Frage:
Was wäre wenn ……?
Was wäre, wenn es ein Universum gäbe, in dem die Gravitation eine Million mal stärker ist, als in unserem ?
In diesem Universum sind die einzigen lebensfreundlicheren Bereiche Regionen, die Im Gravitationsbereich kompakter Massen entstehen. In diesen Nebeln bilden sich Sterne am äußeren Rand, Sterne mit einer Lebensdauer von wenigen Jahren, die ihren letzten Weg zum Kern des Nebels antreten um dort von den Gravitationskräften zermamlt zu werden, Die übermächtige Gravitation lässt hier selbst Regen zu einem gefährlichen Bombardement werden.
Nur wenige dieser Sterne fallen nicht in den ultrakompakten Kern, sondern stabilisieren sich, ausgebrannt und zu einem Eisenklumpen geschrumpft auf einer Umlaufbahn um den Kern. Nur dort können die hier lebenden Menschen Eisen abbauen.

In der Umlaufbahn um einen solchen erloschenen Stern liegt die Himmelsmine, auf der der Held des Romans lebt: Rees, eine fünfzehnjährige Waise, dessen Vorfahren seit Generationen in den Eisenminen schuften. Ein typischer Jugendlicher, der bei nackter weiblicher Haut und bei etlichen anderen Gelegenheiten sofort errötet, der seinen Platz in der Gesellschaft sucht in der Balance zwischen Nähe, einem Dazugehörigkeitsgefühl, und der Distanz einer eigenen Identität. Rees ist ein introvertierter Einzelgänger und Querdenker. Durch den Verlust seiner Eltern, einem Anker der ihn an die Gesellschaft hätte binden können, stellt sich Rees eine Aufgabe; herauszufinden, warum der Nebel stirbt.
Denn das Leben ist hart in den Minen, die Bedingungen werden immer lebensfeindlicher. Von einem einst blauen Himmel kennt Rees nur Geschichten. Heute ist der Himmel in ein kränkliches rot getaucht. Die Luft scheint immer dünner zu werden, Wasser wird wieder und wieder aufbereitet und die Lebensmittellieferungen vom Floss werden nach einem Unfall in den Minen, in folge dessen die Bergarbeiter die Lieferung nicht bezahlen können, immer knapper. Unter extremsten Bedingungen wird hier Eisen abgebaut, das die Bergbauer gegen Lebensmittel eintauschen, die vom fernen Floss kommen, der Heimat der vermeintlichen Oberschicht. Diese Versorgungsgüter werden mit “Bäumen”, pflanzlichen, fliegenden Objekten beliefert.

Nachdem ein Versorgungsbaum am Ring angedockt hat, beschließt Rees mit diesem, als blinder Passagier zu fliehen und das Floss zu erreichen. Dort angekommen stellt er schnell fest, dass auch hier ähnliche Probleme die Menschen bedrohen. Eine Zwei-Klassen-Gesellschaft hat sich entwickelt, bestehend aus den Wissenschaftlern, die ihr Wissen streng hüten, und allen Anderen. Als Reinigungskraft muss Rees die Kosten seiner Passage abarbeiten und soll mit dem nächsten Baumschiff zurück zu den Minen gebracht werden. Doch der Junge arbeitet hart und beweist schnell einen scharfen Verstand. Als die Lebensbedingungen auch auf dem Floss härter werden, revoltiert die Unterschicht, reißt die Macht an sich und rächt sich an den eitlen Wissenschaftlern. Rees gerät zwischen die Fronten in einem Kampf ums Überleben.

Wie die Menschen an diesen lebensfeindlichen Ort einst gelangten, bleibt ein offenes Rätsel. Die Nachfahren dieser Pioniere können nur vermuten, dass es ein Unfall war oder vielleicht auch ein absichtliches Eindringen in diesen Raum. Möglicherweise eine Flucht. Doch vor was und wem ? Ideen von riesigen Planeten und Schiffen, die die Menschen vor dem tödlichen Vakuum des Raums schützen sind den Menschen hier fremd.

Baxters Roman ist vor allem eine Homage an die Naturwissenschaft, genauer an die wissenschaftliche Denkweise, an die ursprüngliche Neugier in uns allen, die der Alltag nur allzu schnell abtötet, an die Beharrlichkeit sich nicht mit plakativen Phrasen abzugeben, sondern die Wahrheit zu suchen. Durch seinen Mentor Hollerbach, einen Wissenschaftler auf dem Floss, lernt Rees hinter die Dinge zu sehen und mithilfe theoretischer Überlegungen und empirischer Beweise die Wahrheit über das Schicksal des Nebels herauszufinden.

Das Floss ist nicht nur ein aufgrund seines Fantasiereichtums, der flotten Handlung und dem logischen Spannungsbogen ein beeindruckender Debut-Roman, er legte auch die Basis für die steile Karriere Baxters, der zu den eifrigsten Science-Fiction Autoren der Gegenwart zählt. Dabei geht Baxter seine eigenen Wege weit ab so manch anderer Vielschreiber.

Konsequent ist Rees Universum von der Idee bis zum fertigen Roman durchdacht. Baxter spielt virtuos mit den Naturgesetzten, die er voraussetzt und fesselt den Leser mit seiner Erzählweise. Sicherlich ist sein Schreibstil in diesem Roman noch nicht so ausgefeilt, wie in späteren Werken. Die Charaktere wirken dabei jedoch glaubwürdig, ohne dass der Autor in die (psychologische) Tiefe geht, was auch bei einem Hard-SF- Roman nicht unbedingt zu erwarten ist. Die Handlung schreitet flott voran, übermäßigen Detailreichtum in der Beschreibung und Szenen die für die Handlung unwichtig sind, findet man kaum.

Mit seinen etwas über dreihundert Seiten ist das Floss ein bescheidener und kompakter Romanerstling, in dem uns eine fantasiereiche Geschichte, flüssig erzählt wird. Vor allem genial durchdacht und dabei fesselnd erzählt.

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